Gletscherlicht

Mit geschlossenen Augen jenseits der Farben eine Hand auf diese Bilder zu legen, weist den Weg zur ihnen verwandten Textur. Es ist das mineralische Erbe der steinsichtigen oder mit Kalk verputzten Mauern, sonnenwarm im Vinschger Licht der Maler. Wenn diese subtil vergeistigten, urbanen Geschöpfe von Jörg Hofer in ein kleines Haus mit eben diesen Mauern näher unterm Ortler einen kurzen Halt einlegen wie einst Thomas Bernhard im Gasthof Sonne, entfalten sich Wahlverwandtschaften. Wie das Haus bestehen die Bilder aus den Stoffen der Umgebung, dem Leinen der sich im Oberwind wiegenden lichtblau blühenden Flachsfelder, die es hier einst gegeben hat, aus der kristallinen Härte des Marmors unter dem vegetabilen Grün, selbst die Eier, die Luis Stefan Stecher wegen der Steilheit von Faslar poetisch auf den Stilfser Kirchplatz rollen lässt, sind mit im Spiel. Doch die Summe der Komponenten sagt nichts über die Magie dieser existentiellen Stills, die tief aus ihrem Inneren strahlen im Wetterleuchten unserer Zeit. In die getäfelte Stube gehängt, wirken sie wie Fenster, nur dass sie im Unterschied zu den gläsernen Freunden nach innen und nicht nach außen führen. Wie das kleine Haus sind diese Farben festgezurrt am faszinierend bedrohlichen Licht des Gletschers, der mit unseren Hoffnungen schwindet. Das fallende Wasser, der schweigende Wald und das Gras im Regen sind alchemistische Destillate aus den Stimmungen der Papierarbeiten, die als Tagebucheinträge der Landschaft entstehen. Manchmal reicht eine Wolke. Das alte Bäckerhaus gibt sich gastlich und hält dem gewaltigen Strom des Lebens im Gletscherlicht stand, innen und außen.

 

Text: Karin Dalla Torre

Fotos: Hartmut Prünster


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